Monogamie in Österreich: Ist das traditionelle Beziehungsmodell überholt?

Gilt Monogamie in Österreich noch als zeitgemäßes Beziehungsmodell? Über Jahrhunderte hinweg war sie fest im gesellschaftlichen Selbstverständnis verankert – als exklusive Partnerschaft zwischen zwei Menschen, meist im Rahmen der Ehe. Gestützt von religiösen Normen, rechtlichen Vorgaben und institutionellen Strukturen wurde sie lange als Leitbild angesehen.

Doch gesellschaftliche Veränderungen fordern dieses Modell zunehmend heraus. Steigende Scheidungsraten – seit den 2000er-Jahren liegt die Quote bei über 40 Prozent – spiegeln einen Wandel in Lebensentwürfen, Rollenbildern und Alltagserwartungen wider. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Debatte über Beziehungsvielfalt an Relevanz. Ist Monogamie noch Ausdruck persönlicher Freiheit – oder eher ein überholtes Ideal, das nicht mehr zu allen Lebensrealitäten passt? Die folgenden Abschnitte gehen dieser Frage etwas genauer auf den Grund.

 Zurück zu den Wurzeln: Woher kommt eigentlich die Idealvorstellung „Monogamie“?

Heute interessieren sich viele für neue Horizonte im Beziehungsmodell. Dennoch ist es durchaus interessant, sich mit der „perfekten Partnerschaft“, wie sie zum Beispiel vor etwa 100 bis 200 Jahren definiert wurde, auseinanderzusetzen.

 Der Ursprung der Monogamie in Österreich ist tief in der religiösen und rechtlichen Geschichte des Landes verwurzelt. Besonders die katholische Kirche trug maßgeblich dazu bei, das Ideal der lebenslangen Ehe zwischen Mann und Frau zu verankern. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Leitbild durch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Konkordat von 1855 unter Kaiser Franz Joseph I. rechtlich abgesichert. Monogamie galt als Fundament sozialer Ordnung – mit klaren Regeln für Erbrecht, Mitgift und familiäre Verantwortung.

Sie bot ökonomische Sicherheit und gesellschaftliche Anerkennung. Über Jahrzehnte wurde dieses Modell von Bildungsinstitutionen, Gerichten und Behörden gestützt. Andere Lebensformen blieben marginalisiert, oft als Abweichung empfunden. So entstand ein normatives Beziehungsbild, das Österreich bis heute prägt.

Welche Rolle spielt der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung?

Selbstverwirklichung und der Wunsch nach Flexibilität prägen die moderne Gesellschaft in Österreich nicht nur in beruflicher Hinsicht. Viele Menschen definieren Partnerschaften stärker nach individuellen Werten als nach Traditionen. Monogamie wird nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern in den Kontext von Wahlfreiheit gestellt.

Wer sich entscheidet, monogam zu leben, tut dies bewusst und nicht mehr aus gesellschaftlichem Druck. Gleichzeitig gewinnen Autonomie, Work-Life-Balance und persönliche Freiheit an Bedeutung. Wissenschaftler wie Ulrich Beck beschreiben diesen Prozess als Individualisierung, also die wachsende Bedeutung persönlicher Entscheidungen gegenüber Traditionen.

Ergänzend betonen Studien des Österreichischen Instituts für Familienforschung, dass Beziehungsmodelle zunehmend plural werden. Folglich entstehen neue Prioritäten: Nähe soll möglich sein, ohne Selbstbestimmung einzuschränken. Monogamie bleibt so eine mögliche, nicht zwingende Form der Bindung.

Auch interessant: Die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Generationen

Unterschiedliche Generationen in Österreich bewerten Monogamie teils sehr verschieden. Ältere Menschen, geprägt durch Nachkriegszeit und katholische Werte, halten häufiger an klassischen Vorstellungen von Ehe fest. Jüngere Generationen, besonders Millennials und Gen Z, sind offener für Modelle wie offene Beziehungen oder Polyamorie.

Viele junge Menschen empfinden alternative Partnerschaften nicht als Tabu. Infolgedessen entstehen Diskussionen innerhalb von Familien und in den sozialen Netzwerken.

Während manche Generationen Sicherheit in klaren Strukturen suchen, sehen andere Freiheit als zentrales Gut. Dadurch ergibt sich ein vielfältiges Bild, das Wertepluralismus – also die Koexistenz unterschiedlicher Normen – verdeutlicht und die Akzeptanz von Monogamie in Österreich verändert.

Individuelle Vorlieben werden mittlerweile eher akzeptiert

Individuelle Beziehungsformen werden in Österreich zunehmend als persönliche Entscheidung respektiert. Während Monogamie lange das vorherrschende Modell war, wächst die Offenheit gegenüber alternativen Lebensentwürfen – von offenen Partnerschaften bis zu bewusstem Dasein als Single. Diese Entwicklung geht oft mit einer stärkeren Betonung auf Selbstverwirklichung und Lebensqualität einher. Viele gestalten ihren Alltag heute flexibler, sei es durch Homeoffice, ehrenamtliches Engagement oder bewusst gewählte Rückzugsorte. Auch Reisen – egal, ob mit dem langjährigen Partner, allein oder mit einer Affäre – orientieren sich stärker an persönlichen Vorlieben – etwa ein ruhiger Urlaub in Österreichs Weinbaugebieten, ein Yogawochenende in den Alpen oder kulturelle Städtetrips. Solche Freiräume unterstreichen den Wunsch, Beziehung und Lebensgestaltung individuell zu denken.

Und wie geht es weiter? Wie wird sich die Beziehungslandschaft Österreichs entwickeln?

Die Zukunft von Beziehungsmodellen in Österreich wird aller Wahrscheinlichkeit nach vielfältiger. Monogamie bleibt für viele ein wichtiger Orientierungspunkt, doch andere Lebensformen wie offene Beziehungen oder getrenntes Wohnen gewinnen an Sichtbarkeit. Gesellschaftlicher Wandel, individuelle Bedürfnisse und neue Kommunikationsformen tragen dazu bei, dass Beziehung heute flexibler gedacht wird. Institutionen und Forschung begleiten diese Entwicklung, ohne eindeutige Vorgaben zu machen. Was bleibt, ist der Wunsch nach Nähe, Stabilität und Freiheit – in ganz unterschiedlichen Kombinationen.

 

 

 

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